
Berlin – Die Straßenreinigung nennt sich Räumschiff. Auf dem Gehweg übt ein junger Mann Ballett. Drei ambulante Pflegedienste im Abstand von 100 Meter in einer Seitenstraße in Charlottenburg. In der U2 verkauft ein junger Mann mit Undercuthaarschnitt und Krücken eine Zeitung für Obdachlose und bittet falls man die Zeitung nicht erwerben möchte, „um eine geringfügige Spende als Option einer kleinen warmen Mahlzeit“. An der nächsten U-Bahn-Station wird er ersetzt durch einem älteren Mann – vermutlich aus Südosteuropa – der keine wohlgesetzte Rede schwingt, dafür aber ein Orchester versteckt in seinem Rucksack mit sich führt. Seine Mundharmonika unterstützt solistisch die Arbeit des Orchesters in voller Lautstärke. Am Kottbusser Tor geht’s zur Ausstellung: Andere Heimaten: Herkunften und Migrationsrouten von Drogenhändlern in Berliner Parks. Das Friedrichshain-Kreuzberg Museum stellt aus.
Eintritt wird keiner verlangt. Auf Tischen reihum liegen Presseerzeugnisse, die sich mit dem Drogenhandel im Görlitzer Park beschäftigen. Im Ausstellungstext heißt es: „Durch die Fokussierung auf die Herkunftsorte und Migrationsrouten von afrikanisch stämmigen Park- Drogenverkäufern versucht die Ausstellung die post-kolonialen Abstraktionen unter der Überschrift „Afrika“ aufzubrechen und den Blick auf die Hassfigur „Drogendealer“ zu versachlichen.“ http://www.andereheimaten.website/
In dem Ausstellungsraum stehen ca. zehn Pappfiguren aus Karton. An jeder dieser Figuren hängen kleinformatige Fotos – Bilder von den Orten, aus denen jeweils ein Drogenhändler stammt. An einer Wand hängen 2-3 Landkarten. Hier sind die Routen eingezeichnet, die die jungen Männer nach Berlin gewählt haben. An zwei Computern kann man fiktive Reisen in die Herkunftsländer der Drogen-Business-Consultings buchen – nicht wirklich anschaulich, in dünner Schrift auf einem großen weißen Monitor. Mehr ist nicht.
In mir ist nichts „aufgebrochen“. Vielleicht weil ich keine Abstraktionen post-kolonialer Art zu Afrika habe? Man fragt sich die ganze Zeit, was hat man diesen Leuten in den Tee gegeben, dass sie so einen Schwachsinn als Ausstellung und „Kunst“ präsentieren? Selbstredend kein Wort zu den Opfern der Drogenhändler! Kein Wort zu Beschaffungskriminalität – also zu den Opfern der Opfer der Drogenhändler. Aber vermutlich soll so ein Gedanke gerade durch das Geschwurbel von post-kolonial verhindert werden.
Weiter mit „Desintegriert Euch!“ so der Titel des 3. Berliner Herbstsalons im Maxim Gorki Theater im Kronprinzenpalais. Allererste Adresse in Berlin direkt an der Prachtstraße „Unter den Linden“ neben der Humboldt Universität.
Zu sehen ist z.B. ein Baseballschläger mit der Aufschrift: „Dem Deutschen Volke“ von Miro Kaygalak.

Miro ist „Errorist“. „Als politisches Instrument untersucht Errorist die grundsätzlichen Widersprüche sozialer Systeme als politisches Instrument, um die Organisationsprinzipien, durch eine Zerstörung von innen, zu beleuchten.“ Das steht so – mit Zeichensetzung – tatsächlich im sorgfältig aufgemachten dickwandigen Ausstellungsheft.
Viel softer ist die Aktion von Selma Selman aus Bihac. „Die Fotoserie von Selma Selman zeigt die Künstlerin beim Verrichten ihrer Notdurft. Damit will sie auf den Genozid an den Roma während des Nationalsozialismus aufmerksam machen. Den Bezug zum Dritten Reich vermittelt sich durch den Ort der Aktion. Denn die Wiese, auf der die Künstlern hockt (nicht so scheu: brunßt und scheißt) ist der ehemalige Adolf-Hitler-Platz in Weimar“.
Eine originelle Aktion. Braun auf braun. Für Selma ein Kunstpreis! Das haben sich die Nazis echt verdient!
Manaf Halbouni mag es größer und geruchsneutraler. Die Botschaft ist aber die gleiche: IHR SOLLT SÜHNEN! Für die Nazis, den Syrienkrieg, für alles, auch wenn ihr noch nie in Syrien ward oder jünger als 90 seid! Das Kunstwerk ziert das Brandenburger Tor. Drei Busse, die zuvor vor der Frauenkirche in Dresden aufgestellt waren, dürfen nun die Berliner zur rechten ähh richtigen Moralgesinnung führen. „Das Monument bezieht sich auf ein Bild aus Aleppo, auf dem eine von Zivilisten errichtete Straßensperre zum Schutz vor Scharfschützen zu sehen ist.“

Es sind nicht die echten Busse aus Aleppo. Es sind irgendwelche Busse, die man hochkant aufgerichtet hat. Ich frag jetzt nicht, ob man das Geld nicht besser Opfern dieses Krieges gegeben hätte. Wahrscheinlich ist so ein Gedanke unendlich spießig.
Um den Spießer zu vertreiben, geht man lieber am 8. Dezember bei freien Eintritt ins Studio R des Gorki Theaters, wenn über „Holocaust, Sexualität, Stigma“ gesprochen wird. Moderiert von Dr. Birgit Bosold (Berlin) sprechen Prof. Dr. Jennifer Evans (Ottawa), PD. Dr. Susanne Heim (Berlin) u.a. über: „welche Bedeutung hat die Geschichte der Sexualität_en für unser Verständnis des Holocaust?“.
Keine Bedeutung vielleicht? Nein, auf keinen Fall! Sexualität_en ist die Grundlage von allem. Irgendwie! Das passt scho! In Berlin immer.